Die Entspannung – eines der Themen, um das sich im Yoga vieles dreht. Ist sie da, fühlen wir uns leicht, gelassen und zufrieden. Wir haben das Gefühl, im Rhythmus der Zeit zu leben und können uns dem Fluss des Lebens hingeben. Fühlen wir uns hingegen verspannt, wird das Leben als eng wahrgenommen und nichts scheint richtig zu funktionieren. Unser Nervensystem reagiert dann gereizt auf die äußeren Einflüsse und aktiviert gern den Flucht- oder Kampfmodus, um sich aus der Situation zu retten. Eigentlich ein ganz natürlicher körperlicher Vorgang, der aktiviert wird, wenn unser System überreizt wurde. Wenn anschließend für den Ausgleich und die vollkommene Entspannung gesorgt ist, finden wir uns im Wechsel von der Anspannung in die Entspannung wieder. Auch das ist ein natürlicher Vorgang, den wir auch in der Tierwelt beobachten können. Nach einer Flucht oder einem Stressmoment schütteln Tiere sich meist kurz oder sehr intensiv und agieren anschließend wieder ruhig.
Findet dieser Wechsel jedoch nicht statt, kann das zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. In dem Fall hat sich unser autonomes Nervensystem im Flucht- oder Kampfmodus quasi „aufgehangen“. Dann kann selbst der Wille, sich entspannen zu wollen, nicht ausreichen. Das liegt daran, dass unser autonomes Nervensystem von unserem Hirnstamm gesteuert wird. Diesen Teil können wir mit unserem Denken nicht steuern oder beeinflussen. Deshalb wird es auch als „autonomes“ Nervensystem bezeichnet. Wenn das anspringt, dann läuft es. Der Hirnstamm ist der älteste Teil des Gehirns und hat sich im Laufe der Evolution kaum verändert. Hier werden unter anderem Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel gesteuert. Im Gegensatz dazu steht der vordere Teil des Hirns, welcher sich enorm entwickelt hat und uns zu bewussten Handlungen befähigt. Sich auf den Bereich des dritten Auges zu konzentrieren ist deshalb nicht unbedingt eine wilde „Spiri-Geschichte“, sondern auch rein hirnphysiologisch wertvoll, um den eigenen Grad an Bewusstheit zu erhöhen.
Hinzu kommt, dass es bei manchen Menschen nicht bewusst den Willen gibt, sich zu entspannen, weil sie ihr Denken dazu benutzen, sich durch Sorgen in eine Verspannungs-Abwärtsspirale zu begeben. Dann wird das Denken dazu benutzt, noch mehr Verspannungen zu erzeugen. Für manche Menschen kann es also enormen Aufwand bedeuten, um sich aus der Verspannung zu befreien.
Die Frage ist, wie gelingt es uns unser Nervensystem nachhaltig zu entspannen? Wie finden wir wieder zurück in den Zustand von Offenheit, innerer Ruhe und Zufriedenheit?
Ein Teil kann sicherlich sein uns überhaupt bewusst darüber zu werden, was geschieht. Dabei hilft Meditation. Die daraus entstehenden Erkenntnisse schenken uns den Willen etwas zu verändern. Und natürlich sorgt „das zur Ruhe bringen der Gedanken im Geist“ auch für Entspannung. Der Weg bis zu einem ruhigen Geist kann aber manchmal sehr steinig sein, weil unser Geist im Grunde frei wie der Wind ist. Ihn kennenzulernen, zu zähmen und zu beruhigen ist eine Lebensaufgabe.
Der Körper als Schlüssel
Glücklicherweise haben wir noch unseren Körper, die Materie, die sich manchmal leichter in eine Ordnung bringen lässt als der windige Geist. Und so wird unser Körper wahrlich zu einem Meister und erhält eine Schlüsselfunktion beim Thema Entspannung. Das ist wirklich die gute Nachricht: Wir haben es fest in der Hand, unseren Körper bewusst zu entspannen und darüber das autonome Nervensystem zu erreichen.
Für tiefe Entspannungsreisen haben die Menschen vielfältige Techniken und Methoden entwickeln können, die jedem von uns zur Verfügung stehen. Zugang und Methode können für Menschen unterschiedlich sein, die Wirkung ist die gleiche: ein entspanntes Nervensystem und ein glücklicherer Mensch.
Wir können uns also ganz gezielt verschiedenen körperlichen Entspannungsmethoden widmen. Zum Beispiel hat schon allein das kontrollierte Verlangsamen der Atmung eine direkte Wirkung auf unser autonomes Nervensystem. Nicht umsonst wird im Yoga ein so starker Fokus auf die Atmung gelegt. Natürlich schenkt eine tiefe, vollständige Atmung noch viel mehr als rein Entspannung. Sie versorgt uns energetisch und physisch mit unserem Prana, unserer Lebensenergie und beeinflusst damit unser gesamtes Lebens- und Energiepotenzial. Es ist schon enorm wirkungsvoll, sich immer wieder daran zu erinnern, tief, bewusst und vollständig zu atmen.
Ein weiteres simples Instrument ist das bloße Spüren des Körpers. Im Alltag zwischendurch die Füße und die Atmung zu spüren – nur für ein paar wenige Momente – geht wirklich immer und verändert das gesamte Energie- und Nervensystem zum Positiven. Das bewusste Wahrnehmen des Körpers lenkt die Aufmerksamkeit des Geistes weg von Gedanken, die Verspannungen auslösen. Wenn wir lernen, dass wir uns einfach spüren können, einfach da sein können, ohne jetzt gerade etwas tun zu müssen, entspannt sich unser ganzes System.
Das Spüren und Atmen sind schon ganz einfache und alltägliche Tricks. Dafür brauchen wir aber natürlich auch immer wieder die Erinnerung und Umsetzung. Da landen wir wieder bei unserem Geist und unserer Willenskraft, die eben dem Wind-Element unterliegen. Und so kann es enorm wichtig sein, durch intensives Lernen und Praktizieren von Entspannungsmethoden dem Körper die Möglichkeit zu geben, diese Erfahrungen fest in den Zellen zu verankern. So fällt der Zugriff mit der Zeit immer leichter und leichter. Eine regelmäßige, tiefgreifende Praxis ist systemverändernd.
Diese Möglichkeiten helfen uns
Neben der Meditation und Atemübungen gibt es diese Methoden, um gezielt mit dem Körper zu arbeiten:
Autogenes Training nach J.H. Schultz, Progressive Muskelentspannung nach E. Jacobsen, Traumreisen, Body Scans, Shavasana und Yoga Nidra.
Regelmäßige Tiefenentspannung zu praktizieren kann also auf der einen Seiten enorm wichtig für unsere Selbstheilungskräfte sein. Stress macht den Körper krank. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir uns auch einfach glücklich fühlen, wenn wir entspannt sind. Unser Nervensystem ist dann offen für soziale Verbindung, wir fühlen uns leicht und zufrieden. Unsere innere Ruhe kann sich dann sogar entspannend auf unsere Mitmenschen auswirken und auch andere Menschen glücklicher machen. Ein entspanntes Nervensystem ist also sehr attraktiv für unser tägliches Leben. Wir können emotionalen Herausforderungen oder äußeren Anforderungen auf ganz anderer Grundlage begegnen. Und so ist es sehr wichtig und wertvoll sich dem Thema zu widmen und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und für die eigene Entspannung Sorge zu tragen. Mögest du gut für dich sorgen.