Yin möchte gar nichts. Möchte nichts von dir. Von den anderen. Yin möchte sehen und gesehen werden. Sonst nichts. Yin möchte in die eigene Tiefe tauchen und alles, was es dort findet bloß (an)erkennen. Bezeugen. Nichts damit tun. Anhalten und Innehalten in dem, was da ist. Hingabe.

Aber Yin liebt auch das Verspielte, das Konzeptlose, das Chaos. Das macht dem Yang manchmal etwas Angst. Denn Yang liebt das Lineare, die Sicherheit, die Orientierung an die Form. Dieses ewige Spiel von Einatmen und Ausatmen, von der Veränderung von Fest in flüssig, von hart und weich, hell und dunkel; dieses ewige Spiel können wir aus unserer Mitte mit einer gewissen Nüchternheit und Sachlichkeit beobachten. Vielleicht sogar lernen, ein liebender Zeuge aller Dinge zu werden.

Wir können ein Bewusstsein dafür entwickeln, wann das Pendel beginnt zu schwingen. Wir können damit tanzen, denn das Leben findet in dieser Polarität statt. Wir können erkennen, wann es Zeit ist im Außen aktiv sein und wann es Zeit für die innere Einkehr, Ruhe und Regeneration ist. Wir können uns Hingeben in das Leben. Und wir können auch erkennen, wann wir uns vielleicht im Extrem des einen Pols verlieren.

Yin hat nicht die Lösungen und Antworten parat, während Yang sich gerne mit der eigenen Meinung und seinem Wissen präsentiert. Yin taucht in das Nicht-Wissen ein und sieht, dass es nichts weiß und auch nichts wissen muss. Es wird durch das „so sein lassen“ genährt.

Und es geht NIE nur um das eine ODER das andere. Es geht IMMER um das SOWOHL ALS AUCH.

Es geht nicht darum, nie die eigene Meinung zu finden und zu ihr zu stehen, und es geht nicht darum, immer auf ihr zu beharren. Es geht um eine nüchterne Sachlichkeit und das Erkennen, was das Leben gerade braucht. Die Frage kann sein: Was ist dem Leben gerade dienlich?

Dabei hilft die Entwicklung für Bewusstsein. Es ist die Übung, präsent und wach für das zu sein, was gerade wirklich ist.

Yang ist dem Element Feuer, Yin ist dem Element Wasser zugeordnet. Wasser nimmt stets den Weg in die Tiefe. Es reinigt. Es heilt. Zuviel Yin kann aber ertränken. Das gleiche Wasser kann uns heilen, unseren Durst löschen oder ertränken. Das gilt für alle Dinge. Wir dürfen lernen das Maß und die Balance in allem zu finden.

Und manchmal lernen wir auch einfach zu sterben. Ertrinken in unserem Yin oder werden von unserem Yang verbrannt. Feuer bedeutet Transformation. Wandel. Und wir brauchen die Erneuerung. Die Veränderung als einzige Konstante im Leben.

Im Extremfall bleibt nur die Asche übrig und der Phoenix hilft uns in ein neues Leben. Oder eine helfende Hand zieht uns aus den Fluten. Manchmal verbrennen oder ertrinken wir. Manche Menschen suchen oder brauchen das Intensive, das Schonungslose, um sich ganz zu erfahren, erkennen zu können. Oder um sich von alten Konzepten zu lösen. Sowie die Welt vielleicht auch militante Veganer brauchte, um dem Fleischwahn entgegenzuwirken. Am Ende darf alles in eine Balance kommen. So Gott will.